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"Dein Wort soll aber sein: ja, ja; nein, nein", heißt es schon in der Komödie "Weh dem, der lügt" von Grillparzer. Und im Prinzip dreht sich jeder Werbetext um diese Alternative: ja - ich lese weiter, nein - das interessiert mich nicht. Deshalb zeigt Ihnen Ihr heutiger Textertipp, wie Sie die Neins in Ihrem Text vermeiden - oder noch besser: sie gleich in Jas verwandeln. Damit die Führung des Lesers gelingt ...
Denken Sie jetzt NICHT an einen roten Elefanten oder wie unser Gehirn wirkt ...
Na, haben Sie kurz an einen roten Elefanten gedacht? Wenn ja - das ist völlig normal! Unser Bildspeicher im Gehirn arbeitet von Natur aus positiv. Ihr Gehirn kann Verneinungen zwar verstehen, aber nicht zeigen. Denn Bild bleibt Bild. Nicht-Bilder gibt es nicht. Alle "Nichts" oder "Keins" werden schnell ausgeblendet. Ein Beispiel: Was löst folgender Satz bei Ihnen aus?
"Mit unserem neuen Produkt gehen Sie kein Risiko ein, nie wird es einen Schaden haben und muss deshalb sicher nicht zur Reparatur."
Als Kunde überlegen Sie sich hier doch: Von welchem Risiko spricht der Schreiber, welche Schäden können auftreten und wie viel kostet mich eine eventuelle Reparatur?
Die bessere Möglichkeit: Sie schreiben nicht, was Ihr Produkt verhindert, also negativ - sondern schildern positiv, was es bringt! So könnte der Satz dann lauten:
"Unser Produkt hält ein Leben lang. Dank Top-Qualität und Spitzen-Materialien trotzt es allen Herausforderungen."
Doch positive Formulierungen schaffen nicht nur ein gutes Klima. Sie helfen dem Leser auch erheblich, den Text zu verstehen ...
Warum "Kosten verringern", wenn man auch "sparen" kann - die Schönheit einfacher Sprache
Es gibt Wörter, die sind wunderbar einfach und klar - und dazu noch positiv! "Günstig", "schön", "einfach" zum Beispiel. Doch auch solche Wörter kann man schwierig machen. Einfach das Gegenteil bilden und dann mit einer Vor- oder Nachsilbe wieder umdrehen. Das klingt kompliziert - und macht auch Ihren Text schwer verständlich. Trotzdem gibt es Texte, die ihren Lesern solche Verdrehungen zumuten. Aus "schön" wird dann kompliziert "nicht unschön". Nachfolgend einmal einige besonders schwere Fälle und Möglichkeiten, wie Sie hier ganz "positiv" eingreifen können:
Geräuschlos = ganz leise
Schadstoffarm = schont Ihre Lunge und die Umwelt
Eine nicht geringe Menge = viel
Das verringert die Kosten des Produktes = So wird das Produkt günstiger!
Textakademie staatlich zertifiziert: Sparen Sie bis zu 100 % Weiterbildungskosten
Der Staat fördert Ihre Weiterbildung
Diese außergewöhnlich hohen Förderungen sind möglich:
- Bis zu 100 % der Weiterbildungskosten und
- Bis zu 90 % des Arbeitsentgelts (Bruttolohn + Sozialabgaben) während der Weiterbildung.
- Pro Teilnehmer erhalten Sie ca. 80.000 € Förderung.
Wir prüfen, was Ihnen zusteht.
Besonders verwirrend: doppelte oder mehrfache Verneinungen. Hier sollten Sie unbedingt einschreiten ...
Darauf dürfen Sie nicht verzichten = Das müssen Sie haben / Hier sollten Sie zugreifen
Es ist nie unmöglich, ... = Sie können jederzeit ...
Das verhindert, dass Energie verloren geht = So sparen Sie Strom / Das hält Ihr Haus schön warm
Niemand will hier fehlen = Jeder ist dabei!
Dem Produkt mangelt es an nichts = Mit unserem Produkt haben Sie die Komplett-Ausstattung / Das Rundum-Sorglos-Paket
Und hier versteht man vor lauter Verneinungen gar nichts mehr.
Aber seien Sie versichert: Solche Texte gibt es:
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass durch unsere Produkte so wenig Wärme wie noch nie verloren geht. => Ich verspreche Ihnen: Unser Produkt isoliert /dämmt besser als je zuvor.
Es gibt jedoch zwei Möglichkeiten, mit Neins positiv umzugehen ...
Fall 1: Das "treibende Nein" in der rhetorischen Frage
Das "treibende Nein" ist für Sie als Texter die Möglichkeit, aus etwas Negativem einen positiven Impuls zu machen. Das bedeutet im Klartext: Sie stellen Ihrem Leser eine negative rhetorische Frage - und bringen ihn dadurch zum Handeln.
Beispiel: "Wollen Sie etwa noch länger Telefonkosten zahlen? Nein? Dann holen Sie sich Telefonie kostenlos - das Internet-Angebot TestIt macht's möglich."
"Lust auf Erkältung, Fieber und Husten? Wenn nicht, dann haben wir etwas für Sie ...
Fall 2: Das vorweggenommene Nein, um Einwände aufzugreifen
Hier haben Sie als Texter ein Luxus-Problem: Sie bewerben ein Produkt, das so günstig, leistungsstark oder effektiv ist, dass man es kaum glaubt. Hier regen sich beim Leser oft Zweifel: "Wie ist das möglich?", "Kann das sein?" und das berühmte "Da ist doch wohl ein Haken dran!". Auf diese Neins im Kopf des Lesers müssen Sie reagieren - indem Sie sie aufgreifen! Das sieht dann so aus:
(...), und all das / dieses Produkt kostet Sie ganze 200 Euro. Sie meinen: Das gibt's doch nicht! Mit bisherigen Methoden nicht, da haben Sie recht. Doch wir haben ein Verfahren entwickelt, das die Produktion einfacher und günstiger macht. Und diesen Vorteil geben wir direkt an Sie weiter!"
"Der Spezialfilter wiegt ganze 3 Gramm und hat einen Durchmesser von nur 5 Millimetern. Nun fragen Sie sich: Kann dieses kleine Teil wirklich alle Rückstände beseitigen? Es kann - und zwar besser als seine klobigen Geschwister. Dieser Test beweist es ...
Von "Ja" zu "Ja" - hangeln Sie sich durch die Zustimmungskette!
Hier treffen wir noch einmal auf die rhetorische Frage. Sie ist ein willkommenes Stilmittel für jeden Texter. Denn sie bietet die Möglichkeit, Ihren Leser in den Text mitzunehmen. Das bedeutet: Die rhetorische Frage beteiligt den Leser am Gedankengang und Sie als Texter behalten trotzdem die Führung. Warum? Weil bei der rhetorischen Frage die Antwort schon vorgegeben ist. Auf die Frage "Sparen Sie nicht gern Kosten?", antwortet praktisch jeder mit "Ja". So holen Sie sich mit jeder rhetorischen Frage ein "Ja" bei Ihrem Leser ab. Er fühlt sich eingebunden in den Text, angesprochen im direkten Sinne - trotzdem geben Sie nie die Führung aus der Hand.
Die Bedingung dazu: Fragen, deren Antworten ganz eindeutig sind, wie "Wollen Sie Steuern sparen?". Und hierin liegt auch das Risiko der rhetorischen Frage: Schnell wirkt sie banal und nimmt dem Text die Spannung. Ein gutes Mittel also - wenn es mit Augenmaß benutzt wird.
Sehr oft nutzt man rhetorische Fragen auch nur als Abschluss einer so genannten Zustimmungskette. So bezeichnet man die Aneinanderreihung von Aussagen und Fragen, die den Leser immer zu einer Ja-Antwort führen: "Sie sind Architekt (ja). Sie setzen Wünsche des Bauherrn um (ja) und wollen gleichzeitig eigene Vorstellungen verwirklichen (ja). Und Sie tragen viel Verantwortung (ja). Zu viel (ja). Wäre es da nicht wünschenswert, einen Teil dieser Verantwortung abzugeben und trotzdem noch bessere Qualität abzuliefern? (ja)
Auch beim Aufbau einer Zustimmungskette gilt: Achten Sie darauf, dass hier echte Zustimmungen abgeholt werden. Zu banale Fragen, zu simple Aussagen kehren auch eine Zustimmungskette schnell in ihr Gegenteil. Denn wenn´s zu simpel wird, wirkt Ihre Argumentation wie Didaktik für Anfänger und gibt einem Leser schnell das Gefühl, Sie nehmen ihn nicht ernst.
Ein Wort zum Schluss ...
Noch mehr über die Führung des Lesers hören Sie in meinen Seminaren. Ich wünsche Ihnen für heute wieder viel Erfolg bei der Umsetzung, viele neue Ideen und viel Freude beim Schreiben.